Theater: Immer online – ein Phänomen unserer Zeit
Am 25.03.2019 war es endlich soweit: Die Schauspieler aus Weimar kamen in die Max-Weber-Schule nach Sinsheim. Es waren gerade mal zwei Schauspieler, welche das Stück „online“ von Katrin Heinke in der Aula der Max-Weber-Schule sehr wirkungsvoll und authentisch aufführten. Zum Publikum zählten Schüler und Schülerinnen der Max-Weber-Schule und der Albert-Schweitzer- Schule.
Der Fokus des Stücks lag auf dem Umgang und den möglichen Gefahren der Nutzung des eigenen Smartphones. Die ständige Abrufbereitschaft, die andauernde Verfügbarkeit und der Druck, welcher durch die Nutzung von sozialen Netzwerken und weiteren Apps wie z.B. Panorama, Quizduell etc. erzeugt wird, wurde trotz oder (man darf sogar sagen) gerade trotz minimalistischen Requisiten eindrucksvoll aufgezeigt. Veranschaulicht wurde dieser Druck, welcher schon in Stress ausartete, anhand der Figur „Jule“.
Jule bekommt zu ihrem Geburtstag endlich ihr eigenes Smartphone. Dies eröffnet ihr aufgrund der Leistungsfähigkeit, den Funktionen und dem Datenvolumen eine ungeahnte „Freiheit“. Das ständige Online-Sein vermittelt ihr ein neues Lebensgefühl. Sie postet ihre Mahlzeiten, viele Fotos von sich, nimmt auf Instagram, whatsapp u.a. Plattformen sogar teilweise zu sehr später Stunde teil und lernt Menschen kennen, welchen sie im realen Leben niemals begegnen wird. Das Verhältnis zu ihrer besten Freundin Elli und ihrer Mutter leidet immer stärker darunter. Beim gemeinsamen Essen, auf welchem die Mutter beharrlich besteht, liegt das Handy neben der Mahlzeit und wird nach Bedarf genutzt. Intensive Gespräche kommen dadurch nicht mehr zustande. Häusliche Pflichten werden nicht mehr wahrgenommen. Die Verbindungen zu den Menschen aus ihrem realen Umfeld werden immer oberflächlicher. Des Weiteren kommt es dadurch stärker zu Streitigkeiten untereinander, da Jule Hobbys, Beziehungen und zum Schluss sogar ihr Äußeres nicht mehr in dem Maße pflegt, wie man es von ihr gewohnt ist. Sogar ihre Geburtstagsfeier, welche sie anfänglich nachholen wollte, wird von Jule aufgrund Zeitmangels und verlagerten Prioritäten gänzlich gestrichen.
Nachdem Jule dann auch noch in die Kostenfalle tappt und die Mutter einen Brief von Jules Schule erhält, in dem steht, dass Jule Einzelgängerin sei, sich nicht integriere, häufig im Unterricht fehle oder geistig abwesend sei und daher die Versetzung gefährdet sei, zieht die Mutter die Reißleine. Zu Hause schaltet die Mutter das W-Lan ab. Es kommt zu einer heftigen Eskalation zwischen Mutter und Tochter. Der Zuschauer erhält dabei den Eindruck als Außenstehender, dass sich beide durch die durchaus berechtigten Vorwürfe, wie z.B., dass Jule fühlt sich bevormundet fühlt oder die Hinweise der Mutter, dass Jule nicht mehr aktiv am Leben teilnehme, nicht annähern. Es scheint, als wären beide von unterschiedlichen „Planeten“.
Nun wird klar, dass Jule wirklich abhängig ist und dringend professionelle Hilfe braucht. Sie bekommt einen Platz in einer Fachklinik und macht eine Therapie. Jule bekommt dadurch einen neuen Lebenssinn und ein gesundes Verhältnis zur Nutzung des Smartphones.
Aus der Perspektive des Zuschauers muss ich eingestehen, dass ich mich in vielen Situationen wieder gefunden habe. Ich bekam vorgeführt, wie sich ein Zuhörer z.B. beim gemeinsamen Essen oder beim gemeinsamen Filmschauen fühlt, wenn man nicht 100 % präsent ist, sondern immer wieder „mal schnell“ noch eine Nachricht schreibt oder das Level „noch kurz“ zu Ende spielt. Auch konnte ich mich in die Rolle der Mutter einfühlen, welche durch ihre neue Arbeitsstelle stark beansprucht ist und sich Vorwürfe macht, dass sie nicht genug Zeit für ihre Tochter habe, des Weiteren völlig überfordert ist mit den neuen Verhaltensweisen ihrer Tochter, welche sehr abweisend und bei der Eskalation auch sehr verletzend sind. Die Tochter, völlig uneinsichtig, fühlt sich unverstanden und meint, ihre Mutter wäre gemein, wenn sie ihr das Handy wegnehme oder das W-Lan abschalte. Jule, völlig fern vom Realitätsbezug, verletzt dabei nicht nur ihr Umfeld, sondern vernachlässigt dabei immer mehr sich selbst. Durch das Setzen falscher Prioritäten in ihrem Leben verstärkt sich der Leistungsdruck, was von ihr erwartet wird und sie ist zunehmends unausgeglichener und gestresster.
Alles in allem ein wirklich gelungenes Stück! Vielen Dank an die Schauspieler, an das Publikum und an alle, die es ermöglicht haben, dass das Theaterstück in diesem Rahmen aufgeführt werden konnte! Ich glaube wirklich, wir müssen uns immer wieder mal die Zeit nehmen, um unser Verhalten und Leben zu reflektieren. Es ist sicherlich ein Gewinn, nicht nur für unser Umfeld auch für uns selbst.
(Autor: Martina Greulich, Präventionslehrerin der Max-Weber-Schule)