Den passenden Zug finden: Sinsheimer Schulleitungen haben eine weitere Kooperationsvereinbarung getroffen. Foto: Berthold Jürriens
„Hauptschulabschluss ist kein Scheitern“
In Sinsheims reicher Schullandschaft findet sich ein passender Weg, sagen Schulleiter und kooperieren
Sinsheim. (bju) Die Schullandschaft als großer Bahnhof, an dem Schüler in Hochgeschwindigkeitszüge oder in Regionalbahnen einsteigen und losfahren können. Jeder kommt ans Ziel, auch wenn einige umsteigen müssen oder etwas länger brauchen: „Wir Lehrerinnen und Lehrer möchten die Kinder und Jugendlichen in den richtigen Zug setzen“, veranschaulicht Thomas Brunner, Leiter der Friedrich-Hecker-Schule, die aktuelle Situation und die Aufgaben der Schulen mit diesem Bild.
Um Schülern zu zeigen, „welche Züge man nehmen kann und welche zur Verfügung stehen“, sei eine Kooperation mit anderen Sinsheimer Lehranstalten sinnvoll. „Wir arbeiten zwar schon mehrere Jahre zusammen, aber wir möchten diese Schulkooperationsvereinbarung auch nach außen tragen“, sagt Rektor Holger Gutwald-Rondot von der Kraichgau-Realschule. Er gehörte jetzt – genauso wie Schulleiter Oliver Frank von der Albert-Schweitzer-Schule und Valerie Sieber-Schmitt, Leiterin der Max-Weber-Schule – zu den Unterzeichnern einer Absichtserklärung, die als Ziel ausgibt, den Absolventen der Kraichgau-Realschule einen erfolgreichen Übergang in die weiterführenden Schulen zu ermöglichen. Gerade für diejenigen, deren Schullaufbahnen zunächst durch Misserfolge geprägt seien, dann aber die Realschule mit einem Hauptschulabschluss nach der 9. Klasse verlassen können, sei es wichtig, frühzeitig schulische oder berufliche Perspektiven praktisch aufzuzeigen, findet Gutwald-Rondot. Eine Berufsausbildung im dualen System aus Berufsschule und Betrieb sei genauso möglich wie der Beginn einer schulischen Berufsausbildung oder der Besuch der zweijährigen Berufsfachschule.
„Ein Hauptschulabschluss ist kein Scheitern“, man habe andere Möglichkeiten, die man den Jugendlichen mittels regelmäßigem „Schnupperunterricht“ in den Berufsschulen in Sinsheim aufzeigen könne. Um beim Bahnhofs-Bild zu bleiben, wolle man „zeigen, dass es kein Sackbahnhof ist“, ergänzt Sieber-Schmitt. Hier kämen „duale Partner“, sprich: Unternehmen, ins Spiel, bei denen eventuell Praktika absolviert werden könnten, um die berufliche Neigung zu erkunden: „Wir reden hier auch von einer gesellschaftlichen Aufgabe, denn nicht alle können oder müssen studieren“, gibt die Leiterin der Max-Weber-Schule den Hinweis an die Eltern, die bei der „Zug-Auswahl“ mitentschieden. Hierzu gehöre auch ein kritischer Blick auf die Abschaffung der verbindlichen Grundschul-Empfehlung. Auch den Pädagogen ist die Problematik fehlender Auszubildender in handwerklichen Berufen bewusst. Während bereits einige Realschüler an der Friedrich-Hecker-Schule im Werkstatt- und Technikbereich „schnuppern“ würden, hoffen Gutwald-Rondot und Frank, dass auch der pflegerische und hauswirtschaftliche Bereich der Albert-Schweitzer-Schule von dem Modell profitiert.
Für Carmen Eckert-Leutz, Leiterin des Sinsheimer Amts für Bildung, Familie und Soziales, ist die Kooperation vorbildlich: Man wisse, dass die vielseitige Sinsheimer Schullandschaft „ein Glücksfall“ sei und die Zusammenarbeit „sehr gut“ funktioniere. Der Kooperationsvertrag solle dies „nochmals unterstreichen“. Der Inhalt des Vertrags beziehe sich auf „handlungsorientierte Kooperationsformen“ mit fachpraktischen Bereichen. Unterrichtsbesuche von Schülern und Lehrern sollen einen intensiven Infoaustausch fördern, „um Übergänge systematisch vorzubereiten“. Die Abstimmung unter den Fachlehrern, „regelmäßige Strategiegespräche“ über künftige Schwerpunkte mit Schul-, Fach- und Abteilungsleitern seien ebenso Teil des Vertrags.
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